Seitenstraße in einsamer Gegend

( Komme von Wohnung Wild Öztürk, S. 10 )

Als ich in die Seitenstraße kam, war mir zwar etwas mulmig zumute, denn es war schon eine komische Gegend. Aber ich konnte es auch verstehen, daß wir das Geschäft nicht in aller Öffentlichkeit durchziehen wollten. Als ich dort ankam, war der Typ noch nicht da. Ich mußte also nochwas abwarten. Endlich kam er aber und er wollte natürlich erstmal das Teil sehen.
"Das Teil ist fast wie neu! Ja ok, ein wenig gebraucht ist er schon, aber gerade mal ein paar Monate alt!", log ich.
"Machst Du Witze? Also der ist ja nichtmal formatiert. Und alles schon vorinstalliert!"
"Ja, ist doch gut!"
"Gut? Und woher weiß ich, daß da kein Virus drauf ist?"
"Ist es nicht. Das kann ich Ihnen versichern!"
"Ich weiß nicht. Also äußerlich sieht es ja ok aus, aber ich trau der Software nicht so!"
"Ach was. Ich habe auch die Original-DVDs dabei. Alles tiptop!"
"Mehr wie 300 gibt es aber nicht dafür!"
Ich erstarrte. "300? Unmöglich! Das ist viel zu wenig. Ich meine, es sind keine Daten drauf und die Original-CDs sind auch in super Zustand! Und funktionieren tut auch alles."
"Wieviel MB Arbeitsspeicher hat er? Und was ist für ein Betriebssystem drauf?"
"Ähm, Windows Vista. Arbeitsspeicher? Viel!" Woher sollte ich das jetzt wissen? "Trotzdem, 2000 muß ich mindestens dafür haben."
"300!", schlug der Kerl wieder vor.
"1800!", meinte ich in meiner Verzweiflung.
"Wenn Du soviel willst, mußt Du es jemand anderem verkaufen. Aber ich glaube kaum, daß das einer dafür bezahlt. Außerdem ist der Akku halbleer!"
Man, worauf der alles achtete. Da klingelte mein Handy wieder Sturm.

Als mein Handy klingelte, bedeutete ich dem Kerl, stehenzubleiben und zu warten. "Moment, stehenbleiben!"
Dann ging ich an mein Handy, ging ein paar Schritte und meldete mich. "Florian Wild!"
Schnell realisierte ich, wer am anderen Ende war und schloß kurz vor Schreck die Augen. "Guido!", hauchte ich und bekam sofort wieder Angst. "Ja? Klein Moment ja? Ja, ich bin da!" Er wollte natürlich, daß ich den Laptop verkaufte, egal für wieviel. Hauptsache, ich würde die Kohle auftreiben. Ich hielt kurz den Hörer zu, ging wieder zu dem Typ zurück und gab dann schweren Herzens nach. Dafür hatte Guido mich wieder viel zu sehr eingeschüchtert.
"OK, für 300 gehört er Ihnen!"
Besonders viel war es jetzt wirklich nicht, aber ich hatte wenigstens noch die 200 von Roman. Somit hatte ich schon 500 bezahlt. Ok, ein kleiner Witz bei 15.000. Aber besser als gar nichts. Der Typ nickte und ich ging wieder zurück ans Telefon. "Guido? Ja klar!" Ich erklärte ihm, daß ich den Verkauf vollzogen hatte. Dann legte ich auf und überreichte dem Kerl den Laptop.
"Hier sind 300 Euro!", sagte er.
"Danke!"
"War mir eine Freude!"
Klar, wenn er mich so übers Ohr gehauen hatte. Er hatte jetzt gut lachen.

( Komme von Sieben, S. 2 )

Natürlich bin ich Florian in die Seitenstraße gefolgt. Ich wußte ganz genau, wo der Verkauf stattfinden sollte. So konnte ich ihn sofort in Empfang nehmen, nachdem er das Geld bekommen hatte. Florian wußte nicht, daß ich auch da war und somit war es sicher für ihn eine kleine Überraschung. Ich mußte ihn ja wieder an seine Schulden erinnern. Daher pfiff ich ihn nun her und winkte ihn in eine Seitenstraße. Der Junge hörte aufs Wort und kam zu mir. Sofort nahm ich ihm die Kohle ab. „Wo ist der Rest?“, wunderte ich mich und wollte ihm auch gleich wieder ein schlechtes Gewissen einreden.

Ich erstarrte, als ich plötzlich ein Pfeifen hörte und Guido sah. Ich war doch kein Hund. Er winkte mich jetzt in eine Seitenstraße. Hatte er mich etwa verfolgt? Ich wollte nachher doch zu ihm kommen. Mir blieb nichts Anderes übrig, als zu ihm zu gehen. Kaum war ich bei ihm, riß er mir das Geld aus der Hand und wollte auch gleich wissen, wo der Rest war. Der war witzig. "Mehr habe ich nicht!", sagte ich leise. und hatte wieder total Schiss vor seiner Reaktion. Ich wußte, daß er das nicht akzeptieren würde.

Dachte er, er konnte mich verarschen oder was? Das würde ich ihm aber schnell wieder austreiben. Das war mir doch scheißegal, wieviel er hatte und wieviel nicht. Tatsache war, es war definitiv zu wenig.
"Willst Du mich verarschen?", fragte ich ihn ungläubig. Was sollte die Scheiße bloß? Und was sollte ich mit dem Kleinkram anfangen? Der Kleine hielt sich wohl für superschlau. Aber nicht mit MIR!

Guido schrie mich jetzt an und meinte, ob ich ihn verarschen wollte. Sofort war ich wieder eingeschüchtert.
"300 Euro, mehr war das Teil nicht wert!", rief ich schon beinahe verzweifelt. Ich wollte ihm doch nichts vorenthalten, daher gab ich ihm noch die 200 Euro von Roman. "Die 200 habe ich auch noch auftreiben können. Aber es geht nicht so schnell, wie Du denkst! Ich tu ja schon mein Bestes!", meinte ich zu ihm. Doch, anstatt sich über die weiteren 200 Euro zu freuen, wurde er wieder ziemlich ungehalten.Es schien ihn gar nicht zu interessieren, was ich alles unternommen hatte.

Florian wollte mir klarmachen, daß er für den Laptop nur 300 bekommen hatte. Na und? Das interessierte mich nicht. Er gab mir nochmal 200 Euro, die ich sofort einsteckte. "Roman weiß doch nicht, was Du für mich machst!"
"Nein, natürlich nicht!"
"Das will ich Dir auch nicht raten!"
Florian versuchte sich wieder rauszureden und jammerte rum, daß es nicht schneller gehen würde.
"DU SCHULDEST MIR GANZ ANDERE BETRÄGE!", brauste ich wieder auf und sah ihn drohend an. Ich merkte, daß er nun wieder mit 1000 Ausreden ankommen wollte.

Ich zuckte wieder total zusammen, als Guido mich so anschrie. Natürlich mußte er mich wieder daran erinnern, daß ich ihm noch viel mehr schuldete. Ich schluckte, wußte nicht, was ich sagen sollte und versuchte mich zu rechtfertigen. Auch wenn das eh zwecklos war.
"Ich habs versucht wirklich, ich weiß aber nicht, wie ich so schnell an soviel Kohle rankommen soll.", meinte ich verzweifelt. Wie stellte er sich das eigentlich vor? Das ging doch nun wirklich nicht. Ich konnte das Geld doch nicht herzaubern. Das mußte ihm doch sein Realitätssinn sagen, daß es so gut wie unmöglich war. Da packte er mich plötzlich und schubste mich gegen die Wand. Ich erschrak total und bekam immer mehr Angst. Wer weiß, zu was Guido noch alles fähig war. Reichten ihm denn die 500 Euro nicht?

Hatte ich doch wieder recht. Er fing wieder mit seinen dämlichen Entschuldigungen an und meinte, er wüßte nicht, wie er so schnell an soviel Kohle rankommen sollte. Jetzt hatte ich endgültig die Schnauze voll, packte ihn und schubste ihn gegen eine Steinwand. Dann erhöhte ich meine Lautstärke um Einiges: "ABER ICH WEISS DAS!", schrie ich ihn an und kam ihm dabei ziemlich nah.

Guido glaubte mir natürlich nicht, packte mich, schubste mich gegen eine Wand und schrie mich total an. Mutig stellte ich aber klar:
"Ich mach aber keinen Kurierjob mehr. Ich will nicht in´n Knast!" Ich wußte, daß das nicht das war, was Guido hören wollte. Aber ich mußte das klarstellen. Nicht, daß er mir wieder damit ankam. Wobei es vielleicht wirklich besser gewesen wäre. Aber noch mehr wollte ich mich nicht reinreiten. Ich hing schon tief genug drin. Doch da rastete Guido komplett aus, packte mich am Schlawittchen und schubste mich brutal gegen die Wand auf der anderen Seite. Meine Äußerung hatte ihn wieder ganz schön sauer werden lassen.

Florian versuchte sich rauszureden und stellte gleich klar, daß er nicht mehr für mich arbeiten würde. Sein Pech! Faselte wieder was von Knast und so. Mir reichte es langsam und ich ließ mich nicht länger verarschen. Der Typ mußte doch endlich mal kapieren, daß es so nicht ging. Ich packte ihn nun am Kragen und schubste ihn brutal gegen die Wand auf der anderen Seite. Was glaubte der eigentlich, wer er war?

"Jetzt PASS mal auf, mein Freundchen, Du überlegst Dir ganz ganz schnell was, sonst verbringst Du die nächsten Wochen im Gipsbett! IST DAS KLAR?"

Dabei kam ich Florian mit meinem Gesicht ganz nah. Der Junge nickte nur verschüchtert. "Das ist Deine letzte Chance. Deine ALLERLETZTE!"

Ich sah, wie er wieder die Hosen voll hatte. Anschließend richtete ich seine Jacke und klopfte ihm auf die Schulter. Ich tat wieder, als wenn überhaupt nichts wäre und schleimte freundlich: "Wir sehen uns!"

Dann ging ich zurück in meine Pension.

tbc: Guidos Pensionszimmer

Guido drohte mir nun wieder und schrie mich an. Es tat ziemlich weh, als er mich so hart gegen die Wand schubste. Es machte mir noch mehr Angst, als er mir so nah kam. Ich rechnete jeden Moment damit, daß er mir eine verpassen würde. Aber stattdessen schrie er mich an und meinte, das wäre meine ALLERLETZTE Chance. Ich schluckte, konnte nur noch nicken. Ich konnte seinen Atem riechen, der nach Zigarettenqualm roch. Igitt, wie widerlich. Er würde mich also wirklich fertigmachen, wenn mir nicht endlich was einfallen würde. Hinterher tat Guido wieder so, als wenn überhaupt nichts gewesen wäre. Er spielte gerne seine Psycho-Spielchen mit mir, die mich immer total fertigmachten. Und ich merkte immer mehr, wie tief ich in der Klemme steckte.

Mir war so schlecht, aber ich spürte auch, daß ich langsam Hunger hatte. Ich blieb aber erst noch eine Weile in der Seitenstraße und versuchte mich nochwas zu sammeln. Nicht, daß an der Schranke dann dumme Fragen kamen. Ich atmete erst einmal ein und aus und sah Guido lange Zeit hinterher. Wieso war er nur so? Aber offenbar schien DAS hier sein wahrer Charakter zu sein. Oh man, was war ich da nur wieder in was reingeschlittert. Ich stand nun auf und schaute in meine Geldbörse. Für eine Schranke reichte es noch. Dann machte ich mich auf den Weg zur Schranke. Obwohl ich gar nicht wußte, ob ich überhaupt was runterkriegen würde.

tbc: Schranke